Abenteuer Artenschutz: Tierärztin im Dschungel
Interview mit Hannah Emde am 27. September 2021
Hannah Emde ist Tierärztin, Buchautorin und arbeitet viel im Dschungel. Natur und Tiere haben sie von klein auf fasziniert. Als Erwachsene kämpft sie heute gegen das Artensterben und möchte herausfinden, was wir gemeinsam für unsere Umwelt und gegen den Klimawandel und die Zerstörung von Lebensräumen tun können.
Dafür hat sie unter anderem den Verein Nepada Wildlife gegründet, mit dem weltweit Schutzprojekte durch Spenden, Umweltbildung und tierärztliche Expertise unterstützt werden. Im Interview erzählte sie uns von ihrer wichtigen Arbeit im Dschungel und der Suche mit Forschern und Locals nach Lösungen, um die Vielfalt der Naturwelt zu bewahren.
Hannah, wie bist du zur Tierärztin für Wildtiere geworden?
Schon immer haben mich eher die unterschiedlichen Ökosysteme und ihre Bewohner als nur die heimischen Haus- und Nutztiere fasziniert. Deswegen habe ich Tiermedizin studiert – um für und mit Wildtieren zu arbeiten. Als Praktikantin und Forschungsassistentin in Projekten weltweit konnte ich viele praktische Erfahrungen sammeln, mir ein Netzwerk aufbauen und die globalen Zusammenhänge im Verlust der biologischen Vielfalt besser verstehen.
Seit meinem Studium unterstützen wir nun auch als Artenschutzverein internationale Projekte mit Geld, Öffentlichkeitsarbeit, Bildung hier in Deutschland und tierärztlicher Expertise – so kann ich jetzt wiederum meine Erfahrungen an Locals, NGOs und Ehrenamtliche weitergeben.
Wie können wir uns deine Arbeit im Dschungel vorstellen?
Das läuft je nach Einsatzgebiet ganz unterschiedlich ab. Auf Borneo arbeite ich auf einer kleinen Forschungsstation mitten im Dschungel, begleite die Forscher*innen früh morgens bei ihrer täglichen Arbeit und bin als Tierärztin dafür verantwortlich, die Wildtiere in Narkose zu legen, Proben zu nehmen und den Gesundheitscheck durchzuführen, bevor sie zurück in die Wildnis entlassen werden. Ich beschäftige mich viel mit der Krankheitsübertragung von Wildtieren auf unsere Haustiere – und damit auch auf den Menschen. Zoonosen spielen mit dem ansteigenden Konflikt zwischen Menschen und Wildtieren und der Globalisierung eine immer größer werdende Rolle.
Wo warst du schon überall im Einsatz?
Ich habe zwölf Monate auf den Philippinen gelebt, auf Madagaskar mit Lemuren gearbeitet, auf Borneo Nasenaffen und Sunda-Nebelparder untersucht, in Guatemala Aras aufgezogen und in Costa Rica Bullenhaie besendert. Mein Lieblingsort auf der Welt blieb dabei immer der Dschungel: ob die dichten Amazonas-Regenwälder, der Urwald Südost-Asiens oder die Nebelwälder in Costa Rica - im Wald habe ich mich schon immer wohl gefühlt.
Welches Erlebnis wird dir für immer in Erinnerung bleiben?
Es ist ein später Nachmittag auf Borneo und ich komme völlig durchnässt von einem langen, anstrengenden Arbeitstag aus dem Dschungel zurück. Seit Tagen regnet es, meine Klamotten sind völlig nass, endlich erreiche ich unser kleines Motorboot – und als wir um die erste Flussbiegung fahren, tauchen plötzlich Elefanten vor mir auf. Einige baden und spielen im Wasser, einige Babys grasen am Ufer – es sind bestimmt achtzig beeindruckende und extrem bedrohte Borneo-Zwergelefanten.
Wie wichtig ist Artenschutz beim Reisen – was sind die Dos & Don'ts?
Enorm wichtig! Besonders beim Wildtier-Tourismus tragen wir eine große Verantwortung für den Artenschutz. Ob Safaris in Nationalparks, Gorilla Trekking, Elefantenreiten, das Streicheln und Posieren mit jungen Wildkatzen oder das wilde Campen, all diese Aktivitäten müssen wir kritisch hinterfragen. Nicht überall, wo »Rescue« oder »Sanctuary« draufsteht, geht es wirklich um das Wohl der Tiere oder gar darum, sie wieder auszuwildern. Und alle Angebote, die einen direkten Kontakt zu Wildtieren ermöglichen, ob für ein Wildlife-Selfie oder eine Fütterung, sind ohne korrekte Schutzkleidung strengstens zu vermeiden, da sie große Risiken für die Tiere darstellen. Wird das Tier in seinem natürlichen Verhalten eingeschränkt, also darf ich mit ihm posieren oder es streicheln? Sehe ich das Tier in seinem natürlichen Lebensraum? Wem kommen die Einkünfte zugute?
Was kann jeder einzelne Reisende tun, um zum Artenschutz beizutragen?
Man braucht keine Tierärztin oder Forscher sein, um sich für den Artenschutz einzusetzen. Wir alle können schon im Alltag beginnen, indem wir uns die Frage stellen, woher die Dinge in unserem Einkaufswagen kommen, was alles in unseren Kosmetika steckt und welchen Einfluss diese Produkte auf andere Teile und Tiere dieser Welt haben. Uns fragen, was hinter süßen Videos mit Wildtieren im Internet steckt oder wieso es Delikatessen aus Tierprodukten gibt. Wir alle können bewusster durchs Leben gehen und bessere Entscheidungen treffen, uns ehrenamtlich engagieren und informieren – angefangen damit, wie wir überhaupt reisen.
Wer sollte dein Buch »Abenteuer Artenschutz. Als Tierärztin im Dschungel« lesen?
Alle Menschen, die sich für die Natur, für wilde Tiere oder für fremde Länder interessieren. Menschen, die gerne reisen, Abenteuer erleben und sich fragen, was Nuss-Nougat-Creme mit Orang-Utans, was Sushi mit Bullenhaien, was Rindfleisch mit Papageien zu tun hat. Die wissen wollen, wie man reagiert, wenn einem eine Riesenschlange, ein Leistenkrokodil oder eine Tarantel im Dschungel begegnet. Vor allem soll dieses Buch aber Jung und Alt Mut machen und motivieren, selbst aktiv zu werden.