Leben auf einem Bauernhof in Portugal

Interview mit Anna Pauline Franz am 30. August 2021

Anna Pauline Franz ist Fotografin und führt ein sagenhaft wildes Leben mit ihren drei Kindern und ihrem Partner Karl in Portugal. Was als eine Wohnmobil-Reise letztes Jahr begann, brachte sie an den Ort, den sie nun seit ein paar Monaten ihr „Zuhause" nennen. Seit Weihnachten 2020 leben sie mit einer weiteren Familie in einem Waldstück im südwestlichen Eck Europas. Zwischen Atlantik und Alltag genießen sie ihr neues Leben, das sie als einfacher, direkter und natürlicher erleben. Im Interview erzählt Anna Pauline über ihr Bullerbü zwischen Blumen, Hühnern, Küsten und Nebelwäldern Portugals.

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© Anna Pauline Franz

Wie und wann bist du mit deiner Familie nach Portugal gekommen?

Das erste Mal waren wir 2017 in Portugal. Von Aljezur aus haben wir uns die Westküste der Algarve angeschaut. Karl und ich waren sofort fasziniert von der Natur, den kleinen Orten, den Espresso Bars, dem sprudelnden Leben an Tankstellen und Strassenrand. Es waren nicht nur die Orte selbst, sondern auch das eigene Befinden, das uns spüren ließ, hier einmal wohnen zu wollen. Das es jetzt so gekommen ist und wir nach einer neunmonatigen Reise durch Portugal, wieder genau hier gelandet sind, malt uns ein großes Lächeln ins Gesicht. Portugal ist ein tolles Land.

Ist es für euch etwas festes mit Portugal oder "nur" eine Reise?

Im März 2020 mussten wir aufgrund von Covid-19 den Campingplatz von Lissabon verlassen. Gefühlt sollten wir am besten das Land verlassen. Der Ton war rau, die Stimmung in Lissabon sehr angespannt, die Strassen wie leer gefegt. Wir hatten über Instagram Kontakt zu einer Familie in der Nähe von Castelo Branco, im Herzen des Landes nahe der spanischen Grenze.

Dort verbrachten wir drei Monate während des ersten Lockdowns. Mit viel Regen, Wasser vom Brunnen holen, wenig Strom und einem Klo-Loch in der Erde. Es hieß also: so richtig zurück zur Natur. Was rückblickend eine echt gute Erfahrung war, die wir nicht missen wollen.

Auf deinen Bilder sieht man Eindrücke vom Wohnmobil und Hofleben – was hat es damit auf sich, baut ihr euch da etwas auf?

Der Hof ist ein Bio-Bauernhof, den eine deutsche Familie seit 2008 betreibt. Hier gibt es Esel, Pferde, Hunde, Katzen, Hühner, Meerschweinchen, Enten. Es gibt frisches Gemüse und Obst. Im Wohnmobil leben nicht mehr. Wir brauchen zu fünft dann doch ein bisschen mehr Platz und einen festen Ort, an dem wir und andere so sein können wie sie sind.Wir leben aktuell in einem großen Zelt, in dem wir übernachten. Dazu gibt es ein Lehmhaus mit Küche und Dusche. Eine Außen-Kompost-Toilette. Und das funktioniert hier sehr gut.

Welchen Einfluss hat die Umgebung von Portugal auf euch als Familie?

Der Hahn weckt uns. Wir krabbeln aus unserem Baumwollzelt. Vor dem ersten Müsli füttert das mittlere Kind die Meerschweinchen und die Grosse die Hühner. Der Kleine isst seinen dritten Pfirsich. Oft starten wir gemeinsam mit Yoga in den Tag. Nach Kaffee und Espresso arbeiten Karl und ich. Die Landschaft, der Atlantik, der portuguisische Flow, lassen uns leichter werden und wir fühlen uns zum ersten Mal so richtig angekommen. Die Struktur, die wir aktuell haben, mussten wir uns auf der Reise erst erarbeiten.

Beeinflußt diese Art zu leben auch eure Arbeit als Kreativschaffende?

Ja, es ist uns besonders wichtig, dieses aktuelle Gefühl auch in unsere Arbeit einfließen zu lassen und für Kunden zu produzieren, die fair und nachhaltig produzieren. In Portugal können wir mit unserem Foto- und Video-Equipment, unserem Know-how und unserem Blick auf die Dinge endlich aus vollem Herzen arbeiten. Wir kreieren Filme für faire Modelabels und zu allen Themen rund um Nachhaltiges Reisen und Wohnen. Aktuell produzieren wir einen Videoclip mit dem Arbeitstitel „Abenteuer Wildnis“ für ein Berliner Label.

In einer Zeit, in der die meisten Kinder schon Smartphones benutzen, wachsen eure Kinder gefühlt wie auf Bullerbü auf. Was ist euer Trick, um diese Wild-Heart-Kindheit zu ermöglichen?

Da Karl und ich versuchen, nachhaltig zu leben und bewusst zu konsumieren, schauen sich das unsere Kinder ab. Wir leben einfacher und bewusster, unsere Kinder lernen dass Wasser kostbar ist und die Natur zu schützen ist. Sie lieben es, im Lehm zu wühlen, Steine zu bemalen, Muscheln zu sammeln, als heulende Wölfe durch unseren Zauberwald zu streifen. Genau so gern lesen sie aber auch ein lustiges Taschenbuch oder schauen eine Serie auf dem Tablet. Es geht da eher um Vorleben als Erziehen.

Welche Werte wollt ihr auf euren Reisen leben und euren Kindern vermitteln?

Wichtig für uns ist ein respektvollerer Umgang mit Natur und Mensch und dass wir zu uns stehen, Fehler eingestehen. In der Vergangenheit war mein Leben und auch das von meinem Partner so sehr von Angst und Druck geprägt, dass ein gesundes Leben nicht möglich war. Die dunklen Wolken sind verflogen und wir versuchen auch Themen wie Selbstliebe und Seelenheil mit den Kindern anzuschneiden und genau hinzuschauen. Es ist uns wichtig, dass alle in ihren Gefühlen ernst genommen werden, dass wir unsere Kinder dabei begleiten können und vor allem die Kapazitäten dazu haben, dies zu tun. Das war in unserem Alltagsstress in Deutschland manchmal ziemlich schwierig.

Glaubst du so eine Freigeist-Leben wäre ähnlich in Deutschland möglich oder braucht es dafür einen "Ausbruch"?

Wir erziehen unsere Kinder hier nicht anders als in Deutschland. Die Umgebung ist aber eine andere. Das Leben in Deutschland macht uns aktuell keinen Spass mehr und wir vertrauen unserem Bauchgefühl. Hier in Portugal können wir so sein wie wir sind. Ob dies für andere nur mit einem Ausbruch möglich ist, kann ich nicht beantworten. Nur so viel: Veränderung lohnt sich.

Kannst du dir vorstellen, nach Portugal auszuwandern?

Der Entschluss erstmal in Portugal zu bleiben, ist noch recht neu, daher ist es nicht einfach über diese Phase unseres Leben zu schreiben. Wir sind mittendrin, haben noch einiges zu klären. Dadurch, dass wir als Paar wieder enger zusammengerückt sind, uns sogar neu in einander verliebt haben, ist die Freude über unser jetziges Leben riesig.

Welche Träume und Wünsche hast du für die Zukunft?

In naher Zukunft wollen wir hier in der Gegend ein Fleckchen Natur bewohnen. Einfach, nachhaltig, aus Materialien die schon da sind, etwas Neues schaffen. Beruflich hoffen wir auf tolle Film- und Foto Projekte, die uns ein Einkommen ermöglichen, hier etwas aufzubauen. Ein Jeep mit Dach-Zelt wäre ein Traum von mir. Und ein Hund.

Für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie ihren eigenen Weg gehen, sich selbst und andere so akzeptieren können wie sie sind, ihr Glück im Inneren finden und nicht die Bestätigung im Außen suchen müssen. Dass sie glücklich und zufrieden sind und auch wenn es mal nicht so läuft wie geplant, dies als Chance zu sehen, etwas zu verändern und zu vertrauen.


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Anna Pauline Franz

Anna Pauline Franz ist Fotografin, Mutter von drei Kindern und Freundin von Karl. Durch die Entscheidung, ihre Heimat zu verlassen, hat ihr Leben im Jahr 2020 eine riesengroße Wendung genommen. Seitdem hat sich die Familie von fast allen materiellen Dingen getrennt, reiste mit dem Wohnmobil los und fand ihre neue Heimat in Portugal.

@annapaulinefranz


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