Island Roadtrip: Vanlife in Zeiten von Corona

Interview mit Maria & Sebastian Kadoch am 16. April 2021

Maria und Sebastian sind Abenteurer vom ganzen Herzen und genießen die Freiheit, die ihnen das Leben im Van ermöglicht. Gemeinsam mit ihrem selbst umgebauten Transporter fahren sie am liebsten an unberührte Ruheorte in der Natur. Absolut ehrlich und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, erzählen uns die beiden im Interview vom wahren Vanlife, besonderen Momenten, mehr Authentizität auf Social Media und ihrer unvergesslichen Island Reise in diesem Jahr.

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Vor einigen Monaten habt ihr euch dazu entschlossen, das Abenteuer Vanlife mit eurem Transporter Klausi anzugehen. Erzählt uns, wie kam es dazu?

Wir hatten es schlichtweg satt, von Hotels, Pensionen und dem Wetter abhängig zu sein. Wenn wir unsere Reisen starten, sind wir meist sehr spontan, wir möchten am liebsten an niemanden und an nichts gebunden sein. Allerdings ist das Gastgewerbe (gerade zur Hochsaison) nicht ganz so flexibel und so standen wir das ein oder andere Mal nachts vor verschlossenen Türen. Wir fühlten uns durch diesen klassischen, durchgeplanten Urlaub immer sehr eingeschränkt. Nun können wir einfach in Klausi springen und düsen der Sonne oder unserer Laune entgegen.

Euer Instagram-Account verrät bereits viel von eurem Entdecker-Spirit. Was war für euch das bisher größte Abenteuer?

Da können wir uns gar nicht so genau festlegen. Jeder Trip hatte etwas Besonderes an sich. Die Reisen nach Norwegen auf die Lofoten und kürzlich nach Island mit dem eigenen Van haben uns dabei sicher am meisten beeindruckt. Diese Abgeschiedenheit, Schroffheit und das Wechselspiel von Meer und Bergen begeistern uns einfach immer wieder. Wir gehen unglaublich gern wandern und lassen den Bus lieber einmal mehr stehen. Norwegen ist diesbezüglich ein wahres Paradies.

Das turbulente Jahr 2020 habt ihr größtenteils unterwegs verbracht und sogar eine Quarantäne in Schweden mitgemacht. Wie habt ihr diese Zeit erlebt?

Die Quarantäne in Schweden zu verbringen war sicher ungewöhnlich. Aber so konnten wir für eine kurze Zeit dem Chaos in Berlin etwas entfliehen. In den ersten Tagen der Pandemie herrschte viel Unsicherheit und auch wir haben sehr häufig unsere Nachrichten-Apps aktualisierst. Wir kamen an den Punkt, an dem wir uns einfach nicht weiter verrückt machen lassen wollten. Am sichersten fühlen wir uns eh in der Natur. Also ging es hoch in den Norden, was rückblickend betrachtet eine sehr gute Idee war. Wir waren ganz für uns allein, hatten keinen Kontakt zu anderen, das Handy war auf stumm geschaltet und wir sind kein unnötiges Risiko eingegangen. Online-Vorlesung mit Blick in den Wald und auf den See, ein abendliches Lagerfeuer, ausgedehnte Spaziergänge und die Suche nach dem nächsten Elch – das hat uns ungemein von der Situation in der Heimat abgelenkt und die Akkus wieder aufgeladen.

Bevor es für euch los ging hattet ihr sicherlich viele Illusionen im Kopf, wie das Vanlife werden würde. Was war für euch die schönste und erschreckendste nackte Wahrheit?

Die Freiheit ist sicher das, was wir am meisten genießen. Wir sind von nichts und niemanden mehr abhängig. Das möchten wir auch nie wieder missen. Negativ stößt uns eigentlich nur der Umgang anderer Reisenden mit der „Ressource“ Natur auf. So müssen auch wir immer wieder Stellplätze im Wald von Müll befreien. Schade, dass nicht jeder so umsichtig mit der Umwelt umgeht. Wenn das so weitergeht, werden bald immer mehr Verbotsschilder auftauchen und das „Freistehen“ wird nahezu unmöglich.

Wie bringt ihr das minimalistisch Reisen und die Social Media Welt in Einklang?

Ganz schwieriges Thema, welches uns aktuell wirklich sehr beschäftigt und auch wir ringen mit dem Umgang damit. Uns stört die, in unseren Augen, stark verzerrte Darstellung der Van-Realität enorm. Versteht uns nicht falsch: Wir sind immer wieder ehrlich begeistert, von all den schönen und vor allem perfekten Fotos, die auf Instagram auftauchen. Bei uns sieht es aber nach ein paar Tagen im Van oft sehr wüst aus und auch wir kommen trotz täglicher Hygienebehandlungen mit Waschen, Duschen etc. immer zerzauster daher.

Ja, auch wir bringen uns gern für Erinnerungsfotos in Pose und wollen möglichst beeindruckende und perfekte Fotos schießen, um die Momente einzufangen, die uns immer wieder so sehr fesseln. Aber die Momente sind oft auch einfach nicht perfekt und die Jagd nach dem nächsten Superfoto irgendwie auch albern. Wir wollen doch vor allem reisen, um tolle Erinnerungen für uns zu sammeln, die wir später mit Freunden, der Familie und vielleicht einmal unseren Kindern teilen können.

Wie seid ihr zu dieser Einsicht gelangt und wie geht ihr mit dem „Druck“ der Perfektion um?

Auf Island haben wir ein Paar aus Deutschland am Fjord getroffen, beide um die sechzig Jahre alt und immer noch passionierte Abenteurer … Hansi war schon mehrmals mit seinem Kajak in der Arktis unterwegs, zweimal sind ihm die Füße dabei eingefroren. Er musste Waffen zum Schutz gegen Eisbären mitführen, kein Geld, keine Uhr dabei. Die Beiden hatten Geschichten auf Lager, das würde mehrere Bücher füllen. Sind wir selbst dafür etwa zu spät geboren oder liegt es einfach an der Einstellung?

Solche Geschichten wollen wir hören und solche Abenteuer selbst erleben. Wir wollen nicht Tausende Fotos schießen, die ein völlig verzerrtes Bild der Reise und der Vanlife-Aktivitäten darstellen. Wir haben jedenfalls noch nie in Dessous und tiefen Ausschnitt unser Abendessen zubereitet oder waren in einem Kleid wandern. Aber und das möchten wir noch einmal betonen: Wenn es gefällt, ist auch das ok. Jeder soll sein Ding nach seinem Geschmack durchziehen. Wir streben persönlich einfach etwas mehr Authentizität an und wollen nicht immer nur dem nächsten Knallerfoto hinterherjagen.

Wisst ihr nach all diesen Reisen mehr, was euch wirklich glücklich macht?

Wir haben gelernt, dass wir letztlich ganz wenig brauchen, um glücklich zu sein. Nicht immer neue Klamotten oder eine weitere teure Uhr. Viel Platz ist im Van ja eh nicht und so erkennt man schnell, dass weniger einfach mehr ist. Der durch diese Art zu reisen notwendige Minimalismus hat uns die Augen für ein unbeschwertes Leben geöffnet. Wir haben wieder große Freunde an den kleinen Dingen: der Sonnenaufgang am Morgen, ein heißer Kaffee, klare frische Luft und die unbeschreiblich schöne Ruhe.

Hand aufs Herz, was nervt euch manchmal so richtig am Vanlife?

Dass wir hin und wieder zurück in die Zivilisation müssen, um solch lästige Dinge zu erledigen, wie Wäsche waschen oder einkaufen. Und dann natürlich, dass auch hier wieder die Schubladen mit Vorurteilen weit aufgemacht werden, wenn wir mit unserem Van im Wald vorfahren. So manch Wanderer war uns anfangs überhaupt nicht wohlgesonnen. Nach einem kurzen Gespräch und einer kleinen Roomtour kippt meist die Stimmung ins Positive und die meisten „Motzer“ laden uns anschließend sogar zu sich nach Hause ein.

Vor kurzem wart ihr in Island. Was hat euch an diesem Land im Voraus am meisten fasziniert?

Island war und ist ja immer noch eine der Trend-Destinationen schlechthin. Auch wir sind immer wieder von den unzähligen Hammerfotos in sozialen Netzwerken angelockt worden. Und so wollten wir unbedingt mit dem eigenen Fahrzeug diese Insel erkunden. Als klar war, dass durch die Corona-Pandemie deutlich weniger los sein würde als üblich, war für uns die passende Gelegenheit gekommen, um das Land endlich persönlich zu bereisen. Island ist wirklich einmalig. Dass es so abwechslungsreich ist, hat uns am meisten fasziniert: Lavafelder, riesige Gletscher, das wilde Meer, Wale und Papageientaucher, Eisbrocken, die an den schwarzen Lavastrand gespült werden, heiße Quellen und Bäder. Das alles wirkt wie auf einem anderen Planeten oder eben aus einer Filmkulisse.

Wie einfach oder schwierig hat sich die Anreise mit der Fähre gestaltet? Und als wie optimal habt ihr dieses Land erlebt, um mit einem Van herumzureisen?

Die Anreise war absolut unkompliziert. Das unangenehmste war eventuell das Wattestäbchen im Rachen beim Corona-Test vor der Abfahrt. Aber mal ernsthaft, es ist wirklich einfach und auf der Fähre mangelt es einem an überhaupt nichts. Sauna, Fußball auf dem Dach, 3 Restaurants, zwei Bars, ein Café, ein kleiner Shop und warme Duschen. Genug Zeit zum Lesen und die Aussicht genießen.

Wir haben uns hier ganz intensiv mit der Vorbereitung der Route und möglichen Wanderungen beschäftigt. Island lässt sich super mit dem eigenen Van bereisen, auch wenn die Überfahrt sicher nicht ganz billig ist. Rechnet man aber einfach mal die Kosten für Flug, Unterkünfte und Mietwagen zusammen, kommt man mit dem eigenen Van doch viel günstiger weg. Die Insel selbst kann man ohne Probleme erkunden, auch ist hierfür kein Allrad-Fahrzeug notwendig. Ins Gebirge geht es dann eh zu Fuß oder man schließt sich einer Gruppentour mit einem entsprechenden Geländefahrzeug an.

Wie sah für euch der optimale Tag in und mit eurem Van in Island aus?

Wir stehen immer besonders früh auf, um die Top-Spots ohne Menschenmassen besichtigen zu können. So muss man auch nicht für Fotos Schlange stehen. Dann zurück zu Klausi schlendern und sich auf das wohlverdiente Frühstück freuen. Mit Blick auf das Meer, die Gletscher oder Berge schmeckt der Kaffee doppelt so gut. Dann starten wir bereits die zweite Erkundungstour oder Wanderung. Völlig ausgepowert und glücklich sind wir dann am frühen Nachmittag oder Abend schon mit unserem Tagesprogramm durch und können uns ganz auf einen entspannten Abend freuen: Uno spielen, Essen kochen und ganz viel Zeit nur für uns, lesen und die Natur bestaunen. Maria versucht an einen solchen Tag noch Schafe zu streicheln und – da der Tag perfekt ist – klappt dies dann sogar. (lachen)

Was war für euch der bisher schönste Vanlife-Moment, in dem ihr gespürt habt, ihr macht alles richtig?

Da fallen uns sofort zwei Momente ein: Wir wollten dieses Jahr im Juni eigentlich in Südtirol wandern. Leider hat uns vor Ort ein plötzlicher Wetterumschwung einen großen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir saßen im Bus und es wollte nicht aufhören zu regnen. Und auch die Vorschau auf die nächsten Tage, sah auf einmal ganz düster aus. Kurz recherchiert vor welchem Bergrücken die Wolken endlich halt machen und etwa vier Stunden später standen wir bei schönstem Sonnenschein am Gardasee. Diese neue Freiheit und Flexibilität sind für uns einfach unbezahlbar.

Und natürlich die anfangs schon erwähnte Corona-Quarantäne in Schweden. Wir standen am See und genossen die Abgeschiedenheit ohne den Wahnsinn in Berlin. Hamsterkäufe und neue Schreckensmeldungen waren plötzlich ganz weit weg und das hat uns wieder runtergeholt. Eine Heilung für Körper und Geist im Schnellverfahren also. Und so geht es uns immer, wenn wir Abstand von der Zivilisation und den großen Trubel in den Städten gewinnen.

Lange habt ihr eure Pläne für die Zukunft noch geheim gehalten. Verratet ihr uns, wie es für euch weiter geht?

Wir können es ja selbst nicht mehr erwarten, es allen zu erzählen also ja… Ihr seid somit neben unseren Eltern die Ersten, die es erfahren. Wir trennen uns von Klausi und tauschen ihn quasi für ein deutlich größeres, wenn auch älteres Fahrzeug ein. Doch damit nicht genug wir werden nächstes Jahr unsere Wohnung kündigen und Vollzeit in den neuen Van ziehen. Für unsere Familie scheinbar eine ziemlich große Sache, für uns nur der nächste konsequente Schritt. Aber natürlich sind auch wir schon unglaublich aufgeregt. Ein weiterer Umbau, ein neues Kapitel und noch viel mehr spannende Abenteuer, die vor uns liegen. Nur eben alles ein oder besser zwei Nummern größer als bisher.

Und zu guter Letzt, was würdet ihr denjenigen raten, die noch daran zweifeln sich auf das Abenteuer Vanlife einzulassen?

Ihr seid unabhängig und frei und entscheidet selbst, wohin es geht und das immer wieder aufs Neue. Pure Freiheit. Ihr reist zudem langsamer und erlebt somit den Wechsel von Landschaft, Kultur und Leuten viel intensiver.

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Maria und Sebastian Kadoch

Maria (31) und Sebastian Kadoch (35) reisen gemeinsam mit ihrem Van Klausi durch Europa. Sebastian, Digital Entrepreneur und leidenschaftlicher Weltenbummler, hat bereits achtzig Länder bereist und vom Ausbrechen aus dem Alltag noch lange nicht genug. Maria reiste als Flugbegleiterin durch die Welt und ist fasziniert von neuen Welten, Kulturen und fremden Menschen. Sie träumt von einem Haus am See mit Hund, Schaf, Kindern und ihrem Sebastian.

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